Smarter Fernsehen (3/3)

Medien konsumieren

27. November 2019 | #linux #multimedia #fernsehen

In dieser kurzen Artikelreihe beschreibe ich ein Setup, um mit mithilfe eines Linux-PCs einem konventionellen Fernseher einen Hauch von Smart-TV zu verpassen.

Nachdem das grundsätzliche Setup nun geklärt (Teil 1) und konfiguriert (Teil 2) ist, kann es jetzt ums Wichtige gehen: Füße hoch, Fernsehn an, Arschlecken.

Dieser abschließende Teil gibt ein paar Hinweise für möglichst komfortablen Genuss von Videos (Linearfernsehen, Streaming und Mediatheken), Musik und natürlich ein bisschen Spielerei.

1  Videos / Fernsehen

1.1  Netflix und andere Streaming-Anbieter

Die kommerziellen Streaming-Dienste lassen sich ganz gewöhnlich per Browser nutzen. Mit Google Chrome geht dies ganz ohne zusätzliche Aufwände, bei Firefox muss zunächst in den Einstellungen die Option „Inhalte mit DRM-Kopierschutz wiedergeben“ aktiviert werden.

Um geschützte Video-Inhalte mit Firefox anzuzeigen, wird in den Einstellungen der Haken bei „Inhalte mit DRM-Kopierschutz wiedergeben“ gesetzt. (Wenn man ganz leise ist, kann man in diesem Moment Richard Stallman fluchen hören.) Als Beweis: DRM-gesicherte Wiedergabe funktioniert. Warum die beiden Protagonisten von „How to Sell Drugs Online (Fast)“ ihre Darknet-Geschäfte aber ausgerechnet auf Windows 10 erledigen, weiß wohl nur der Product-Placement-Beauftragte der Produktionsfirma.

1.2  YouTube

Auch YouTube lässt sich natürlich im Lieblingsbrowser verwenden. Der alte Vollbild-TV-Modus unter youtube.com/tv wurde leider vor kurzem abgeschaltet.

Ganz charmant ist jedoch das Firefox-Addon Auto Fullscreen, das nichts anderes macht, als Firefox nach dem Starten automatisch in den Vollbildmodus zu versetzen.

Ebenfalls nett: Dass Firefox-Addon Plasma Integration, welches – zusammen mit dem Linux-Paket plasma-browser-integration – für ein harmonischeres Zusammenspiel von Browser und Desktop sorgt.

1.3  Öffentlich-rechtliches Fernsehen streamen

Wiedermal bietet sich der Browser an, denn alle öffentlich-rechtlichen Sender bieten ihre Streams eingebettet auf den jeweiligen Websites an. Wer stattdessen lieber per VLC (oder anderer Video-App) gucken will, kann die Streams auch direkt aufrufen oder entsprechende Lesezeichen/Verknüpfungen anlegen. Eine kleine Auswahl an Stream-URLs:

Sender  Stream-URL
ARD https://mcdn.daserste.de/daserste/de/master_2660.m3u8
ZDF https://zdf-hls-01.akamaized.net/hls/live/2002460-b/de/d5816a34295a1ca0decb1b56b697de53/5/5.m3u8
3sat https://zdfhls18-i.akamaihd.net/hls/live/744751/dach/high/master.m3u8
BR https://mcdn.br.de/bfs_sued/de/profile2/playlist.m3u8
HR https://hrlive1-lh.akamaihd.net/i/hr_fernsehen@75910/index_8000_av-b.m3u8
MDR https://mdrsnhls-lh.akamaihd.net/i/livetvmdrsachsen_de@513998/index_3776_av-b.m3u8
NDR (SH) https://ndrfs-lh.akamaihd.net/i/ndrfs_sh@430234/index_3776_av-b.m3u8
rbb http://rbblive-lh.akamaihd.net/i/rbb_berlin@144674/master.m3u8
SWR (BW) https://swrbwhls-i.akamaihd.net/hls/live/667638/swrbwd/master.m3u8
WDR https://wdrfsgeo-lh.akamaihd.net/i/wdrfs_geogeblockt@530016/index_3776_av-b.m3u8
Arte https://artelive-lh.akamaihd.net/i/artelive_de@393591/index_1_av-b.m3u8

Die meisten Streams kommen sogar in HD-Auflösung, können aber nur innerhalb Deutschlands aufgerufen werden. Noch mehr Stream-URLs gibt es bei Bedarf drüben bei den UbuntuUsers.

Ein nettes Werkzeug, um URLs von Browserstreams herauszukriegen, ist übrigens der Video DownloadHelper (Chrome / Firefox). Einfach einen Stream im Browser laufen lassen und dann auf den Addon-Button klicken: Die Stream-URL wird automatisch extrahiert und kann von dort in die Zwischenablage kopiert werden.

Was mir noch fehlt ist eine schöne Anwendung, die alle TV-Streams nett zugänglich macht. FreetuxTV geht in die Richtung, ist aber sehr spartanisch – so fehlt insbesondere ein vernünftiges Import-/Export-Feature für Senderlisten. Alternativ tun es aber auch handelsübliche Verknüpfungen, die den Stream dann einfach per Mausklick in VLC öffnen.

Alternativ zum Hantieren mit Stream-URLs lassen sich natürlich auch proprietäre Dienste wie etwa Zattoo nutzen – hier kann man sich gegen Bares auch den privaten Müll zu Gemüte führen. Oder man setzt mit entsprechender Hardware eben auf DVB-T2, was für uns aber nicht in Frage kam.

1.4  Mediatheken

Wer seine Lieblingssendung verpasst hat oder allgemein auf lineares Fernsehen pfeift, ist mit den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender gut bedient. Leider kocht jeder Sender sein eigenes Süppchen, doch es gibt Alternativen:

1.4.1  MediathekView

… ist vermutlich schon hinlänglich bekannt? Es handelt sich um eine in Java geschriebene Anwendung, mit welcher sich alle Mediatheken zentral nutzen lassen. Sendungen können wahlweise direkt gestreamt oder heruntergeladen werden. Wenn man Abos anlegt, werden die betreffenden Sendungen sogar automatisch im Hintergrund heruntergeladen.

MediathekView ist für praktisch alle Distributionen verfügbar. Lediglich bei KDE Neon wurde mir im Terminal nur folgende Meldung vorgesetzt, ohne dass sich das Programm öffnete:

===========================================
JavaFX wurde nicht im klassenpfad gefunden. 
Stellen Sie sicher, dass Sie ein Java JRE ab Version 8 benutzen. 
Falls Sie Linux nutzen, installieren Sie das openjfx-Paket ihres Package-Managers,
oder nutzen Sie eine eigene JRE-Installation.
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Die Ursache konnte ich auch nach einiger Recherche nicht hunderprozentig feststellen, denn die richtige JRE war installiert. Schnelle Abhilfe schuf aber der Programm-Download direkt von der Projektseite, welcher eine neuere Version installiert als die im Repository vorgehaltene – und die lief dann auch ohne zu Murren.

Wem die Schriftgröße zu klein ist, der kann sie im Menü unter „Ansicht“ vergrößern. Einziger Nachteil: Die Schrift der Menüs ist in der Größe unveränderlich; eine systemweite DPI-Einstellungsmöglichkeit für Java-Anwendungen ist mir bisher nicht bekannt.

1.4.2  QMediathekView

Ich hab's selbst nicht ausprobiert, aber wer auf Java verzichten möchte, kann einen Blick auf QMediathekView werfen. Das Programm verwendet Qt für die Oberfläche, bietet aber nicht so viele Funktionen wie das javabasierte Vorbild. Es gibt auch ein passendes AppImage, das sich ohne Installation starten lässt – wie immer bei Software fremden Ursprungs ist hier Vorsicht/Vertrauen geboten.

1.4.3  Für den Browser: MediathekViewWeb

Auch die Mediatheken lassen sich prima vom Browser aus nutzen. Einfach ein Lesezeichen zu MediathekViewWeb anlegen. Auch hier lassen sich Sendungen nicht ganz so präzise filtern, aber für den Alltag langt's dicke.

Nicht wirklich hübsch (Danke, Java!), aber zweckmäßig: MediathekView ist wohl das ultimative Tool, um an den Inhalt der Mediatheken zu gelangen. MediathekviewWeb bietet die gleichen Inhalte wie die Java-Anwendung, nur eben im Browser. Dafür fehlt die Abo-Funktion und der Filter ist weit weniger mächtig. Auch nicht hübscher, aber standalone und ohne Java-Ballast: QMediathekView


2  Musik

2.1  Spotify

Spotify wird für Debian/Ubuntu als (proprietäres) Paket angeboten und läuft ganz anständig.

Einziges Manko: Die DPI-Rate lässt sich in der Konfiguration nicht anpassen. Unter Umständen werden also Adleraugen benötigt, um die Applikation zu steuern.

Wer Spotify also auf einem HiDPI-Gerät (und/oder aus größerer Entfernung) nutzen möchte, startet das Programm daher mit dem Befehl --force-device-scale-factor=1.5, wobei der Wert 1.5 nach Belieben angepasst werden kann. Systemweit lässt sich diese Konfiguration festlegen, indem die Datei /usr/share/applications/spotify.desktop wie folgt angepasst wird:

Die Zeile

Exec=spotify %U

wird ersetzt durch

Exec=spotify --force-device-scale-factor=1.5 %U

(via)

Noch was: wer Spotify kostenlos nutzt, muss gelegentliche Unterbrechungen durch Werbe-Spots hinnehmen. Wer trotzdem kein Premium-Abo kaufen möchte, kann Spotify werbefrei im Browser nutzen, wenn ein Werbeblocker wie etwa uBlock Origin (Chrome / Firefox) installiert ist.

2.2  Öffentlich-rechtliches Radio

Genau wie oben im Abschnitt zum Fernsehen erläutert, bieten sich hier gleichermaßen Browser und präferierter Audio-Player an – letzterer zumindest, wenn man die Stream-URLs kennt und entsprechend abspeichert.

Hierfür haben andere bereits umfangreiche Listen angelegt, daher spare ich mir selbiges an dieser Stelle.


3  Spielen

Spielen unter Linux klappt auf dem Fernseher so gut oder schlecht, wie sonst auch. Was sich aber natürlich anbietet, ist ein Gamepad anzuschließen und einen Konsolen-Emulator anzuwerfen. Hardwaremäßig gibt es aus Fernost eine große Bandbreite an Gamepads, die häufig mit Kompatibelität für den Raspberry Pi (sprich: GNU/Linux) beworben werden. Positives gehört habe ich beispielsweise über die Bluetooth-Gamepads von 8BitDo, die wahlweise über Gearbest/AliExpress oder Amazon bezogen werden können.

Was auch super klappt und extrem Spaß macht: ScummVM installieren und auf dem großem Bilschirm mit kabelloser Maus mal wieder alte Adventures zocken. Wir uns erst kürzlich durch Monkey Island (mit nachgerüsteter Sprachausgabe!) und Day of the Tentacle geklickt.

Ansonsten läuft natürlich Steam mittlerweile ganz anständig unter Linux. Wobei es unter Umständen sinnvoll sein kann, die Windows-Version via Wine zu installieren – etwa wenn ältere Spiele zwar nicht für Linux angeboten werden, aber wiederum gut mit Wine laufen.


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(Artikelfoto von Glenn Carstens-Peters auf Unsplash)